DER LANGE WEG IN DIE ZUKUNFT

(Quelle: VDA - Elektromobilität)

Elektrischer Strom hat etwas Faszinierendes. Denn anders als Benzin oder Diesel kann man ihn weder sehen noch riechen. Er fließt einfach. Doch wie kann er Autos zum Fahren bringen? Elektromotoren wandeln Kraft, die durch Elektromagnetismus entsteht, in eine Drehbewegung um. Sie haben grundsätzlich einen fest mit dem Gehäuse verbundenen Stator und einen Rotor. Die Drehbewegung wird mithilfe wechselnder Magnetfelder eingeleitet. Diese überträgt der Rotor dann auf die Achse des Fahrzeugs. Es gibt allerdings sehr unterschiedliche Ausführungen von Elektromotoren. Bei Gleich-strommotoren beispielsweise wird der Polwechsel der Magnetfelder durch die Bewegung des Rotors selbst über Schleifkontakte erzeugt. In diesem Fall entsteht dann das Magnetfeld über die Rotorwicklung, durch die Strom von ständig wechselnder Polarität fließt: mal plus, mal minus. Doch die Schleifkontakte nutzen sich über die Zeit des Betriebes ab, was den Wirkungsgrad des Motors verringert. 
 

Dieser Verschleiß lässt sich bei Drehstrommotoren vermeiden. Der Drehstrom aus der Steckdose mit seinen drei Phasen garantiert quasi ein „natürliches“ Drehfeld. Versorgt man die Statorwicklungen mit ihnen, entstehen umlaufend sich auf- und abbauende Magnetfelder, denen der Rotor dann folgt. Doch auch das hat seine Tücken. Die Batterien in Elektrofahrzeugen liefern nämlich Gleichstrom. Um die verschleißärmeren Drehstrommotoren nutzen zu können, sind zusätzliche Steuerelemente notwendig. Die sogenannten Wechselrichter wandeln die Gleichspannung der Batterie in Wechselspannung um.

 

Nach heutigem Stand der Technik werden in Elektrofahrzeugen vor allem synchron laufende Drehstrommotoren eingesetzt. Hier bewegt sich der Rotor synchron zum magnetischen Drehfeld des Stators. Diese Motoren zeichnen sich durch einen besonders hohen Wirkungsgrad und eine hohe Leistungsdichte aus. Dabei werden im Rotor zurzeit vorwiegend Dauermagneten eingesetzt. Diese sind aber relativ teuer. Das liegt an den Seltenen-Erden-Elementen, die für die Herstellung permanenter Magneten nötig sind. Die steigende Nachfrage verteuert diese erheblich. Einen Ausweg bietet jedoch die Magnetisierung des Rotors durch zusätzliche Stromzufuhr. Der verringert wiederum den Wirkungsgrad. Außerdem steigt der Regelbedarf durch elektronische Steuerelemente.

Diese werden unter dem Begriff Leistungselektronik zusammengefasst. Sie steuert aber nicht nur den Fluss des Stroms zur Antriebsmaschine, sondern sorgt auch für die Rückspeisung von Bremsenergie in die Batterie. Außerdem überwacht die Leistungselektronik den Ladestand der Batterie sowie die Temperatur des Motors und anderer wesentlicher Bauteile. Am wichtigsten ist aber, dass sie den sogenannten Fahrwunsch in die Steuergrößen des Motors verwandelt.

 

Die Leistungselektronik ist dabei wesentlich komplexer als der Motor selbst und braucht beispielsweise eine eigene Kühlung. Die Technik hat noch Entwicklungspotenzial. Heute kostet eine Leistungselektronik etwa doppelt so viel wie der Motor. Außerdem nimmt sie noch recht viel Platz ein. Deswegen arbeiten Forscher vor allem an der Reduzierung der Kosten und des Volumens. Experten gehen von einem Einsparpotenzial von 50 Prozent aus. Ein geringeres Volumen würde sie zudem leichter machen.

 

Mit Leichtigkeit zu mehr Reichweite und weniger CO2-Ausstoß

Überhaupt spielt das Gewicht eine entscheidende Rolle. Denn die Batterie macht das Fahrzeug schwer, was die ohnehin niedrigere Reichweite von Elektrofahrzeugen noch verringert. Deshalb kommt es darauf an, diesen Gewichtsnachteil in Elektrofahrzeugen auszugleichen. Das nutzt natürlich auch herkömmlichen Fahrzeugen.

100 Kilogramm weniger Gewicht sparen rund 0,3 Liter Benzin auf 100 Kilometern. Dies mag verhältnismäßig gering erscheinen. Doch auf ein Autoleben gerechnet kommen da einige Liter zusammen. Wenn es gelingt, das Gewicht deutlich zu reduzieren, verbessert das die CO2-Bilanz aller Autos erheblich. Das Gesamtgewicht eines durchschnittlichen Personenkraftwagens verteilt sich auf etwa 40 Prozent Karosserie, 25 Prozent Fahrwerk, 20 Prozent Ausstattung inklusive Elektrik und 15 Prozent Antrieb. Die Entwicklung der Gewichtsreduktion konzentriert sich also auf Karosserie und Fahrwerk, weil dort am meisten zu holen ist.

Das Zauberwort heißt Leichtbau. Darunter versteht man eine Konstruktionsphilosophie: Alle konstruktiven, werkstoff- und fertigungstechnischen Mittel müssen darauf ausgerichtet sein, die Masse eines Produkts zu reduzieren und seine Gebrauchsgüte zu erhöhen.

  

Die Elektrifizierung des Antriebsstranges sowie der Einsatz neuer Materialien im Fahrzeugbau werden die Produktionsprozesse nachhaltig beeinflussen. Allein wegen der unterschiedlichen Antriebskonzepte werden kurz- und mittelfristig eher zusätzliche Bauteile hergestellt werden müssen. Langfristig jedoch werden viele herkömmliche Komponenten entfallen.

Fahrzeuge mit Hybridantrieb werden aufgrund des zweiten Motors eher komplexer in ihrem Aufbau und im Zusammenspiel der Komponenten. Bei reinen Elektrofahrzeugen jedoch ist die Bauweise eher einfacher. Dies hat besonders Auswirkungen auf die Prozesse in der Metallbearbeitung, also das Bohren, Fräsen und Schleifen von Bauteilen. Ohne Getriebe und mit einem weniger komplexen Motor wird sich der Fokus auf die Bearbeitung von Kunststoffen und der elektronischen Steuerung verschieben.

Es sind also neue Qualifikationen und neue Arbeitsbereiche gefragt, damit die deutsche Automobilindustrie ihrer Vorreiterrolle weiter gerecht werden kann.

 

1881: Erstes Elektroauto von Gustave Trouvé

Elektromobilität ist in aller Munde. Das war bereits vor 130 Jahren so. 1881 feierte das erste Elektroauto von Gustave Trouvé seine Straßenpremiere. Fünf Jahre bevor an fossil betriebene Automobile überhaupt zu denken war. In diesem Jahr feiern wir demnach nicht nur den 125. Geburtstag des ersten fossil betriebenen Automobils von Carl Benz, sondern auch 130 Jahre eAutomobil.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erlebten Elektroautos ihre erste Blütezeit. Damals waren weit mehr elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf Europas und Amerikas Straßen zu finden als solche mit Verbrennungsmotoren. Auch wenn in der Folgezeit der Verbrennungsmotor durch Fließbandfertigung, höhere Reichweiten und nicht zuletzt durch die Einführung des elektrischen Starters mehr und mehr zur dominierenden Antriebsart wurde, gab es immer wieder neue Modelle, Prototypen oder Kleinserien mit einem rein- oder teilelektrischen Antriebsstrang.

Im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts stehen die Zeichen für eine Renaissance der Elektromobilität nun erstmals wieder gut. Fuhrparkmanager erkennen das Potential der elektrisch basierten Mobilitätsalternative, erste Firmen- und Taxiflotten werden mit eAutos bestückt und damit die Sichtbarkeit von Elektromobilität in der Gesellschaft signifikant erhöht. So wie schon vor 130 Jahren.

Elektromobilität ist die Zukunft. Aber nur, wenn wir aus den Entwicklungen und Hindernissen der Vergangenheit lernen. Welche Ereignisse haben die erste Hochphase der Elektromobilität begünstigt? Welche Entwicklungen und äußeren Umstände haben letztendlich dazu geführt, dass sich fossile Antriebe durchgesetzt haben? Welche technischen Entwicklungen lassen sich noch heute sinnvoll umsetzen bzw. weiter entwickeln? Und aus welchen vergangenen Erfahrungen lässt sich heute noch lernen?

Lassen Sie sich von uns in die Vergangenheit der Elektromobilität entführen.

"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine
Zukunft" (Zitat Wilhelm von Humboldt) 

Als Wilhelm von Humboldt im Jahr 1789 zu einer Bildungsreise nach Paris aufbricht, ahnt er bereits, dass er Augenzeuge revolutionärer Veränderungen werden wird. Nur wenige Wochen zuvor fand der Sturm auf die Bastille durch das französische Volk statt. Doch was verbindet uns heute mit Humboldts Paris des endenden 18ten Jahrhunderts? Es ist nicht weniger, als die elektrische Revolution der automobilen Massen, deren Augenzeuge und Gestalter wir gerade werden. Doch der Reihe nach.


1899: Camille Jenatzy mit seinem zigarrenförmigen Gefährt

Genau 110 Jahre später, am 29. April 1899, wird Paris erneut zum Schauplatz einer kleinen Revolution. Camille Jenatzy, belgischer Rennfahrer und Taxi-Unternehmer, durchbricht mit seinem zigarrenförmigen Gefährt »La Jamais Contente« erstmals die Rekordmarke von 100 km/h – und zwar in einem Elektromobil. Ein Jahr später, am 14. April 1900, öffnet die Weltausstellung in Paris ihre Pforten. Dem staunenden Publikum präsentiert die Firma k.u.k.-Hofwagen-Fabrik Jakob Lohner & Co. aus Wien, später besser bekannt durch ihren damals erst 25-jährigen Cheftechniker Ferdinand Porsche, ein durch zwei Radnabenmotoren angetriebenes Elektrofahrzeug. 


1899: Das erste allradangetriebene Fahrzeug der Welt

Im selben Jahr wird auf Basis dieses Fahrzeugs das erste allradangetriebene Fahrzeug der Welt entwickelt. Der Lohner-Porsche, wie er auch genannt wird, verfügt in der Rennversion bereits über vier Radnabenmotoren mit je 2,5 PS Leistung. Der Vorläufer moderner Radnabenboliden, wie zum Beispiel des Lightning GT, ist geboren. Ferdinand Porsche überführt den Wagen, der eigens für den passionierten Hobbyrennfahrer E.W. Hart aus England gebaut wurde, übrigens höchst persönlich nach Luton, nördlich von London.

Die Ehre, das erste eAuto erfunden zu haben, gebührt jedoch einem Franzosen. Der Physiker M. Gustave Trouvé stellte bereits 1881 auf der Exposition d’Electricité sein dreirädriges Gefährt vor, das mit sechs Blei-Akkus und zwei Elektromotoren bestückt war und eine Geschwindigkeit von 12 km/h erreichte. Also gut vier Jahre bevor Daimler und Maybach ihren benzingetriebenen Reitwagen, und fünf Jahre bevor Karl Benz seinen »Patentmotorwagen« mit Verbrennungsmotor vorstellten. Möglich war das durch die Tatsache, dass im Jahre 1880 der Blei-Akku Serienreife erlangte und somit industriell herstellbar war. An dieser Stelle zeigt uns die Geschichte bereits, dass die Entwicklung des Elektromobils nicht losgelöst von der Entwicklung der Batterietechnologie betrachtet werden kann. Weder damals noch heute und erst recht nicht in Zukunft.


1800: Alessandro Giuseppe Antonio Anastasio Volta erfindet erste Batterie

Der Italiener Alessandro Giuseppe Antonio Anastasio Volta erfindet um das Jahr 1800 die erste Batterie der Welt, die später als sogenannte Volta’sche Säule Einzug in die Lehrbücher halten wird. Durch übereinander gestapelte Zink- und Kupferplatten, die durch in Salzlösung getränkte Pappe voneinander getrennt waren, liefert dieses elektrochemische Kraftwerk den ersten Strom aus einer Batteriequelle. Im Jahre 1801 spielt dann auch diese Erfindung wieder vor französischer Kulisse eine Hauptrolle. Volta reist, wie Jahre vor ihm Wilhelm von Humboldt, nach Paris und stellt Napoleon Bonarparte seine Erfindung vor. Hierfür wird er vom Institute de France mit der Ehrenmedaille in Gold ausgezeichnet und erhält zudem von Napoleon eine üppige Pension. Was danach in Bezug auf die Weiterentwicklung der Batterietechnik folgt, geschieht allerdings eher nach dem Prinzip Evolution statt Revolution. Und die Evolution hat eines im Überfluss: Zeit! Über viele Entwicklungsstufen der letzten 200 Jahre hinweg müssen wir heute feststellen, dass auch die aktuellste Batterietechnik in der Praxis weniger als 1/100 der Energiedichte (gemessen in Wh/kg) fossiler Brennstoffe wie Benzin oder Diesel besitzt. Diese Erkenntnis schlägt sich zwangsläufig in einer Reichweitenbegrenzung nieder, von der Experten sagen, dass diese im Durchschnitt bei 200 km, bei zugrunde gelegten 150 Wh/kg, liegen wird. Für einen Großteil der Fahrstrecken im Alltag ist dieser Wert jedoch völlig ausreichend und daher massenmarkttauglich – ein entscheidender Faktor, um zukünftig die Herstellkosten der Batterien zu senken.

Wirft man einen Blick auf einige der heutigen Geschäftsmodelle entlang der Wertschöpfungskette elektrischer Mobilität, so wecken diese bei genauerer Betrachtungsweise Erinnerungen an bereits Dagewesenes. Nimmt man nur zum Beispiel das Wechsel-Akku-Konzept von BETTER PLACE Gründer Shai Agassi, so haben bereits Erfinder im 19. Jahrhundert mit Wechsel-Deichseln an Kutschen experimentiert. Für die Kurzstrecke gab es eine Version mit Elektroantrieb, für die längeren Überlandfahrten stand eine benzingetriebene Variante zur Verfügung. Der Umbau soll dabei ebenfalls nur wenige Minuten gedauert haben.


Zugegeben, auch wenn dieser Vergleich etwas hinkt, so sind es im Kern doch die selben Erfolgsfaktoren geblieben – damals wie heute – die auch darüber entscheiden, wie wir uns zukünftig von A nach B bewegen werden: Reichweite, Alltagsnutzen, Kosten und Infrastruktur stellen, zusammen mit einem modernen Umweltverständnis, die Leitplanken dar. Politischer und institutioneller Wille, sowie die nicht zu unterschätzende, plötzlich auftretende Nachfrage-Dynamik in modernen Märkten, werden mit über die Geschwindigkeit entscheiden, mit der wir diesen Weg zurücklegen.

Den Fokus bei der Erschließung der elektromobilen Massenmärkte auf Flottenkunden zu legen, klingt vor dem historischen Hintergrund, dass die Mehrheit der Taxen in New York und Paris um das Jahr 1900 schon einmal elektrisch fuhren, konsequent und folgerichtig. Sogar Busse und Lieferfahrzeuge waren soweit alltagstauglich elektrifiziert, dass zu jener Zeit bereits eine große Anzahl von Gütern und Personen zuverlässig befördert werden konnte. Um künftig jedoch breite Bevölkerungsschichten zu erreichen, muss das Erlebnis von Elektromobiliät flächendeckend, sozusagen als emotionale »Selbst-Erfahrung« und als zielgruppenspezifisches Angebot zur Verfügung gestellt werden. Sei es der Elektromietwagen für den modernen Geschäftsreisenden, das Carsharing-Angebot in der Großstadt oder die Elektro-Enduro für den Hobby Moto Crosser, der am Wochenende auf der Rennstrecke Ausgleich zum Alltag sucht: Allen ist gemeinsam, dass sie als Multiplikatoren und Botschafter der elektrischen Idee fungieren werden. Ihre Begeisterung teilen sie in sozialen Netzwerken und wecken Interesse durch persönliche Empfehlung.

So bleibt es spannend zu beobachten, welche Automobile es in Zukunft schaffen, in Comics oder Computerspielen verewigt zu werden. Das meistverkaufte Elektroauto der Welt, der Detroit Electric, hat es schon geschafft und wurde dabei von niemand geringerem als Oma Duck aus Entenhausen gefahren. Manchmal hat man eben schon in Kindertagen die Zukunft vor Augen und erkennt die wahre Bedeutung doch erst Jahre später.




»Die Elektrizität«, so prophezeite DER MOTORWAGEN 1898, »wird im kommenden Jahrhundert die bewegende Kraft sein für elegante Fiaker und für Luxuswagen in Städten..«, der Benzinwagen hingegen sei prädestiniert »für schnelle Fahrten und große Reisen.

Mit Prognosen sollte man vorsichtig sein, und so griff auch Deutschlands älteste Motorzeitschrift um mehr als 100 Jahre daneben. Hellsichtig dagegen die Aufgabenteilung: Elektroautos für die Stadt, Verbrennungsmotoren für Mittel- und Langstrecken. Der Vorschlag wird auch heute wieder von klugen Köpfen vorgebracht, nur dass wir für »weite Ausflüge« gern einen Hybrid als Beruhigungspille und Reichweitenverlängerer an Bord hätten. Damit sprach der MOTORWAGEN schon damals einen Systemwechsel an, der uns demnächst ins Haus stehen wird: Mit nur einem Auto, mit nur einem Antriebssystem Stadt- und Fern-, Berufs- und Urlaubsverkehr bewältigen zu wollen, ist unwirtschaftlich. In Zukunft also Diversifizierung der Verkehrsmittel und -antriebe je nach Einsatzzweck statt Monopolstellung des Verbrennungsmotors als Universalantrieb.

Das hatten die Amerikaner vor langer Zeit verinnerlicht. Den Verkehr zwischen den im weiten Kontinent isoliert liegenden Kommunen übernahm die Eisenbahn, in den Ortschaften selbst spielten Elektro- und Dampfwagen, beide mit einem begrenzten Aktionsradius, ihre Vorteile aus. Die Electric Vehicle Co. eröffnete 1898 in New York die weltweit größte Ladestation, in der dank hydraulischer Hebezeuge und elektrisch angetriebener Förderbänder der Batteriesatz ihrer Taxen innerhalb von 75 Sekunden ausgetauscht werden konnte – Vorläufer und Vorbild für das Better Place-Wechselsystem, mit dem uns Shai Agassi heute, über ein Jahrhundert später, aufs Neue beglücken möchte. Entlang der Atlantikküste entstanden Ladestationen auch für gewerbliche und Privat-Elektroautos. Die eAuto-Industrie wuchs zu einem Wirtschaftsfaktor heran: Eine Bestandsaufnahme ergab 4.192 Straßenfahrzeuge im Jahr 1900, davon 37,6 % mit elektrischem, 40,1 % mit Dampf- und nur 22,3 % mit Benzinantrieb.

Um diese Zeit hatte sich Europa bereits für den Benzinmotor entschieden, obwohl hier die Anfänge des eAntriebs liegen. In den Niederlanden hatten Becker und Stratingh den »Elektromagnetismus zur Hervorbringung einer fortschreitenden Bewegung« genutzt, indem die Rotation von Stab (Anker) und Hufeisen (Hülse) über »ein Kronrad auf die horizontale Axe eines Wagens übertragen wird« (Poggendorfs Annalen 1839). Von dem kleinen Wagen ging keine kontinuierliche Entwicklung aus, wohl aber vom elektrisch angetriebenen Tilbury, mit dem der Pariser Wagenbauer Charles Jeantaud 1881, fünf Jahre vor Benz’ Motorwagen, ein paar Meter zurücklegte. Später lieferte sich Jeantaud mit stets verbesserten eWagen heiße Duelle mit dem Belgier Camille Jenatzy, bis dieser am 29. April 1899 mit 105,8 km/h den Geschwindigkeits-Weltrekord mit einem eWagen aufstellte.


1897: Erste elektrische Eisenbahn von Werner von Siemens

Die erste elektrische Eisenbahn von Werner von Siemens 1879, die erste batterie-elektrische Straßenbahn von Nicolas-Jules Raffard 1881 und die Versuche von Siemens & Halske 1882, Max Schiemann 1901 und der Dresdner Wagenbauanstalt Stoll 1902 mit Oberleitungs-Omnibussen regten den Bau von Elektromobilen an. Seit 1881 entstanden hauptsächlich in Frankreich eine ganze Anzahl von Bi- und Tricycles mit Elektroantrieb. Der französische Wagenbauer Louis Antoine Kriéger führte 1894 mit einem umgebauten Viktoria die so genannte Vorspann-Technik ein. Dabei handelte es sich um ein unter den Kutschen-Vorderwagen geschobenes eAntriebsaggregat, das Vorderachse, Deichsel und Pferd überflüssig machte. 1896 ersetzte Kriéger den kippfreudigen, weil Drehgestell voraussetzenden Antrieb durch Achsschenkellenkung und je einem pro Rad zugeteilten eMotor, der neben der Serien- eine Parallel- oder Erregerwicklung aufwies. Sie ließ den Motor beim Bremsen als Generator arbeiten, die kinetische wurde in elektrische Energie umgewandelt und lud die Batterie – Rekuperation anno 1896.

Die zukunftsträchtige französische Fahrzeugtechnik fand Nachahmer in den USA, wo um 1896 die ersten eTaxis in Dienst gingen, gefolgt von England 1897, Deutschland 1898 und Österreich 1900. Die Berliner Wagenbaufirmen Kühlstein und Kliemt bauten Elektro-Kutschen und Vorspann- Briefkarriols, gefolgt von E-Mylords der Kölner Wagenbaufirma Heinrich Scheele 1899 sowie Vorspann-Lieferwagen der Vulkan-Automobil-Gesellschaft in Berlin und der Sächsischen Akkumulatorenwerke in Dresden. Die Wiener Hofwagenfabrik Jakob Lohner bot ab 1900 Personenwagen, ab 1903/04 Nutzfahrzeuge mit batterie-elektrischem Antrieb an, die als Besonderheit von Ferdinand Porsche entwickelte Radkörpermotoren aufwiesen.

Die Nachteile der Stromspeicher – geringe Energiedichte, hohes Gewicht, teure Herstellung, kurze Lebensdauer, anfällig gegen Erschütterungen – veranlassten den spanischen Artillerie-Offizier Emilio de la Cuadra zum Bau des wohl ersten Hybrid-Antriebs 1899. Aus demselben Jahr stammen benzinelektrische Leichtfahrzeuge der Gebrüder Henri und Nicolas Pieper in Lüttich, gefolgt von Lohner-Hybrids ab 1901 nach Konstruktion Porsche.

In Europa war die Begeisterung für das Elektroauto kurz nach 1900 verflogen, Ernüchterung machte sich breit: Die Bleiakkus waren den Anforderungen nicht gewachsen, hinzu kamen Probleme mit den Reifen: Vollgummireifen gaben die Fahrbahnstöße nahezu ungefedert an die Batterien weiter, die allmählich zerbröselten. Waren Luftreifen montiert, drückte das Gewicht der Akkus die Laufleistung der Reifen, die um diese Zeit ohnehin nur 2.000 bis 4.000 km betrug, weiter nach unten. So scheiterte das Elektroauto der Generation vor 1900 nicht nur an der Batterietechnik, sondern auch an den damit verbundenen zusätzlichen Kosten und an der fehlenden Zusammenarbeit der drei beteiligten Wirtschaftszweige Wagenbau, Elektromotorenindustrie und Batterieherstellung.

In Deutschland mit seiner Vorliebe für Sonderwege verlief die Entwicklung anders – und verspätet, so wie heute. Abgesehen von den schon erwähnten Pionierfirmen begünstigten lokale Verwaltungsvorschriften eine Elektrifizierung der Taxiflotten in Berlin, Köln, Hamburg und Bremen ab 1904. AEG und Siemens folgten NAMAG/Bremen und Hagen/Köln mit der Produktion von eTaxis ab 1905 und 1906 und beteiligten sich an Droschken-Gesellschaften. Sie verfügten, wie auch gewerbliche Großkunden (Kaufhäuser) und Post, über eigene Ladestationen. Die AEG-gesteuerte ABAG betrieb 1912 mit 100 Elektro- und 140 Benzinautos Deutschlands größte Taxiflotte.

Siemens baute bis 1911, AEG bis 1915 eTaxis, Luxuswagen und Nutzfahrzeuge. Nach dem Ersten Weltkrieg verdrängte das mit Verbrennungsmotor angetriebene Automobil das Elektroauto. Die Industrie setzt heute dort wieder an, wo einst die Entwicklung unterbrochen wurde, allerdings mit neuen Möglichkeiten und Herausforderungen.

Quelle: Bundesverband eMobilität